LEPORELLO No. 4

Günter Schmitz (Teil 1: Der Gebrauchsgrafiker)

Das Heft

Technische Daten:

erschienen am:

10 Seite, 4c, DIN A5, Leporello

Februar 2018



Günter Schmitz (Teil 1: Der Gebrauchsgrafiker)

Geboren 1909 in Chemnitz, lebte und starb er 2002 in Radebeul und widmete sich
mehr als 20 Jahre der Malerei. In den ersten zwei Jahrzehnten der DDR arbeitete
er erfolgreich als Gebrauchsgrafiker auf dem Gebiet der Wirtschaftswerbung.

 

In den 50er- und 60er-Jahren, jener hoffnungsvollen Epoche zwischen Wiederaufbau und Rationalisierungsprogramm‚ erlebte das Werbewesen in der DDR seine große Zeit. „Altbewährt“ präsentierten sich die traditionsreichen Markenprodukte der Vorkriegszeit, „Jugendfrisch“ gesellten sich neue Produkte hinzu. Bunt und vielfältig wurden sie beworben. Ob auf Plakaten, Anzeigen oder Häusergiebeln – die Werbung zeigte sich in ihrer ursprünglichsten Form. Botschaften und Bildsprache waren gleichermaßen einfach wie direkt. Gemeint war nur, was man versprach: „Wohin?“ – „KONSUM!“.


Werbung – das war Handarbeit. Da waren Talent und Können durchaus willkommen‚ jedoch nicht Bedingung. Gefragt waren Werbegrafiker mit flottem Strich, die möglichst einfallsreich und schnell für alles den richtigen Dreh fanden.


Günter Schmitz war einer von ihnen. Seine vorrangigen Motive waren – durchaus „Altbewährt“ – schöne Frauen, starke Männer und gesunde Kinder: bis heute die Ur-Stereotypen der Werbewelt schlechthin. Ihm gelang es jedoch vortrefflich, sie immer wieder aufs Neue „jugendfrisch“ zu beleben.

 

Bereits während seiner Ausbildung zum Gebrauchsgrafiker bei der AG Kunstdruck Niedersedlitz (1926 – 30) bestand eine seiner Hauptaufgaben darin, makellose Werbeschönheiten zu Papier zu bringen. Später, während des Studiums an der Akademie der Bildenden Künste in Dresden (1930 – 37), konnte er sich dank seiner Plakatentwürfe ein eigenes kleines Atelier leisten. So malte er lebensgroße Hausfrauen für die Waschmittel Imi und Ata, ließ mondäne Damen und weltgewandte Herren elegant ihre Constantin-Zigaretten genießen.


1949 kehrte er aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück nach Hause – nach Radebeul. Dresden war nicht wiederzuerkennen. Wo vor dem Krieg sein Atelier gewesen war, ragten nur noch verbogene Stahlträger in den Himmel. Schmitz machte sich daran, als freischaffender Gebrauchsgrafiker den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu verdienen. Bereits die ersten Arbeiten forderten eine Auseinandersetzung mit den Problemen der Zeit. Er gestaltet Plakate für den Wiederaufbau, das einheitliche Deutschland, für Frieden und Fünfjahrplan. Mit leichter Hand skizzierte er die Mühen, fand er Bilder voller Optimismus. Wie bei den meisten Berufskollegen seiner Generation, war sein Stil von einer gründlichen zeichnerischen Ausbildung geprägt, lagen auch bei Schmitz die gestalterischen Wurzeln in den 20er- und 30er-Jahren. Entsprechend traditionell sind seine frühen Entwürfe. Zunehmende Aufträge der sich wiederbelebenden Dresdner Kosmetikindustrie mit ihrem Bedarf an unverbrauchter Schönheit kamen seinem Talent und Interresse entgegen: hier hatte er sein eigentliches Metier gefunden! Fortan agierten seine Figuren völlig unbeschwert in alltäglichen Situationen. Besonders den Frauen verschaffte er einen selbstbewussten Auftritt. Obwohl anscheinend auf ihre äußerlichen Reize reduziert, machte Schmitz aus ihnen doch mehr als leblose Pin-Up-Girls. Seine Frauen kommen oft dem Ideal nahe, behalten jedoch immer – geheimnisvoll – ihre irdische Identität. Sich selbst treu bleibend gelang es ihm so, sich stilistisch endgültig von der tradierten Bildsprache der Vorkriegszeit lösen. „Jugendfrisch“ warb er für Hormon-Creme, 0dol und Knoblauchperlen, zeichnete Plakate für den Einkauf in KONSUM und HO, für Schuhcreme und Zahncreme – Eg-Gü und Rot-Weiß. Malend prägte er allem seinen Stempel auf, und half damit, das Bild einer Epoche zu gestalten, ob Nationale Front oder Chlorodont.


Darüber hinaus gestaltete er Theater-‚ Ausstellungs-, Zirkus- und Weihnachtsmarktplakate und seit Ende der 50er-Jahre entwarf und realisierte er haushohe Dekorationen und Wandgemälde für große Ausstellungen wie „Die Frau – gestern, heute und morgen“ (Dresden 1962), die IGA in Erfurt, für die Leipziger und andere Messen. /1/

 

Quellenangabe:

/1/ Thomas Gubig, Sebastian Köpcke: „Altbewährt Jugendfrisch – Werbegrafiken von Günter Schmitz“, 1997

 


Literaturtipps

  • Thomas Gubig, Sebastian Köpcke: „Altbewährt Jugendfrisch – Werbegrafiken von Günter Schmitz“, 1997
  • Deutsches Hygiene-Museum Dresden: „Schmerz laß nach –Drogerie-Werbung der DDR“, 2. Auflage, 1992

Bildbeispiele

Wahlwerbepostkarten 1963 (Herausgeber: Nationalrat der Nationalen Front des demokratischen Deutschlands)